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Das Missing Link in der Energiewende

Die W.E.B entwickelt ein Pilotprojekt: Wie ein E-Auto künftig die intelligente Energieversorgung eines Haushalts unterstützen kann.

11.2022 - Zurück zur Übersicht

Ein alltägliches Szenario: Eine Familie verbringt einen Abend zu Hause, die Eltern streamen Netflix, die Kids sitzen an der Playstation. Im Hintergrund aktiv: der Kühlschrank, der Geschirrspüler, die Waschmaschine, der Gefrierschrank. Last but not least: die Wärmepumpe für die Raumheizung. Das alles verbraucht Strom. Wie gut, dass man eine Photovoltaikanlage auf dem Dach hat. Das Problem ist nur: Es ist bereits dunkel, da hat die Photovolktaik naturgemäß Sendepause.

Vor der Tür steht ein Elektroauto, am Nachmittag vollgeladen mit jeder Menge Sonnenstrom. Wie gut könnte man den jetzt brauchen! Dann müsste man ihn nicht teurer aus dem Netz zukaufen.

Rund 50 Prozent des Haushaltsverbrauchs fallen zwischen 17 Uhr und 7 Uhr des folgenden Tages an. Ein durchschnittlicher Drei-Personen-Haushalt hat in diesem Zeitraum einen geschätzten Stromverbrauch von 6 kWh. Ein durchschnittliches modernes Elektroauto hat ein Speichervermögen von 60 kWh, also das Zehnfache.

Schade eigentlich, dass der Speicher eines E-Autos den Großteil des Tages ungenutzt herumsteht. Wie nützlich wäre es, könnte man den Strom vom Auto ins Haus transferieren! Aber Erzeugung und Verbrauch von Solar- oder auch Windenergie fallen leider oft zeitlich auseinander.

Für dieses Problem gibt es eine Lösung, die derzeit in einem Pilotprojekt der W.E.B entwickelt wird. Dabei verwandelt sich ein E-Fahrzeug in eine „Rolling Battery“, die den geladenen Strom in das Energiemanagementsystem eines Gebäudes einspeist. So entsteht eine intelligente „Vehicle-to-Home“-Lösung, mit der Leistungsspitzen abgefedert und teure Zuladungen aus dem Verbundnetz vermieden werden können. Nebenbei ist es eine perfekte Lösung bei einem möglichen Stromausfall.

Die Ausgangslage: Das Firmengebäude der W.E.B verfügt bereits über ein Energiemanagementsystem, das mit Hilfe von PV-Anlagen und Stromspeichern den hauseigenen Energiebedarf deckt und außerdem das Lastmanagement von rund 60 Ladepunkten für die E-Firmenfahrzeuge versorgt. Damit wurde ein erster Grundstein gelegt, um in Zukunft das Speicherpotenzial der Fahrzeuge für den vor Ort erzeugten Grünstrom auszuschöpfen.

In einem nächsten Schritt wurde die Infrastruktur für eine Schnittstelle geschaffen, mit deren Hilfe der Strom vom Auto ins Gebäude eingespeist wird. Dafür ist zunächst einmal zweierlei nötig: ein Fahrzeug, das nicht nur Strom laden, sondern ihn auch abgeben kann (in unserem Fall ist es ein Nissan Leaf), und eine bidirektionale Ladestation, die den Stromtransfer regelt und intelligent steuert. Dazu dient eine in Japan hergestellte Nichicon EV Power Station, die sowohl ein „Vehicle to Grid“ (Laden oder Entladen eines Autos im Netzbetrieb) als auch ein „Vehicle to Home“ (Entladen eines Autos in das Hausnetz) ermöglicht.

Für die Einbindung der Ladestation in das firmeneigene Energiemanagementsystem wurde eine eigene Software entwickelt. Das Programm misst, wieviel Strom gerade gebraucht oder eingespeist wird. Außerdem kann es prüfen, ob gerade mehr PV-Strom erzeugt als benötigt wird. So kann an sonnigen Tagen, wenn PV-Strom im Überfluss vorhanden ist, das Auto geladen und bei Bewölkung der Stromverbrauch der Firma kompensiert werden. 

Die Kommunikation zwischen dem Programm und der Ladestation läuft über das Echonet Lite Protokoll. Dafür braucht nur der mitgelieferte Kommunikationsadapter via LAN-Kabel mit dem Netzwerk verbunden werden – und schon kann die Ladestation überwacht und gesteuert werden.

Zurzeit wird geprüft, ob die Anlage nicht nur im Labor, sondern auch im Haushalt zum Einsatz kommen kann. Es ist nicht weniger als die denkbar praktikabelste Lösung für einen Missing Link bei der Gestaltung der Energiewende.

Das Projekt zeigt im Kleinen auf, wie künftig im großen Stil die generelle Versorgung mit Erneuerbarer Energie geregelt werden kann. Wenn die PV- oder Windanlagen je nach Wetterlage zu viel oder zu wenig Strom liefern, kann Sektorkopplung für Stabilität sorgen, in dem die Bereiche Strom, Wärme und Verkehr durch intelligente Planungssysteme miteinander verbunden werden. Aber darüber mehr in einem späteren Blogbeitrag.